50 Fragen & Antworten

Paola Felix: Noch keine Sekunde! Meinen Abschied aus dem Showbusiness habe ich mir lange vorher  gründlich überlegt. Ich habe mich auch mental auf meinen Ausstieg hin vorbereitet. Je länger ich nicht mehr auf der Bühne, im Tonstudio oder vor der Kamera stehe, desto weniger fehlt mir mein ehemaliger Beruf. Den Entscheid, mich  ins Privatleben zurückzuziehen ist noch heute für mich unanfechtbar richtig.

Paola Felix: Ich wollte meine Karriere ganz bewusst auf dem Höhepunkt beenden, um danach immer in positiver Erinnerung an sie zurückdenken zu können. Ich habe in meiner Branche Schicksale von Künstlerinnen und Künstlern erlebt, die den richtigen Zeitpunkt zum Absprung verpasst haben und danach in Bitterkeit in ihre Vergangenheit zurück schauten.

Paola Felix: Ja genau. Ich stand schon mit fünfzehn Jahren auf der Bühne und habe diese  Tätigkeit sehr schnell professionalisiert. Als ich 18 war, habe ich die Schweiz schon am Grand Prix Eurovision vertreten. Während sich meine Freundinnen in den  Tanzlokalen vergnügten oder in Rimini Urlaub machten, tourte ich durch anonyme Studios und rackerte mich auf Bühnen ab. Meine Jugendzeit verbrachte ich vor dem Mikrophon.

Paola Felix: Ja, mein Beruf hat mich aufgefressen, weil ich von ihm angefressen war. Freizeit war für mich fünfundzwanzig Jahre lang ein Fremdwort. Die lag einfach nicht drin. Kaum zu glauben: Ich war bis vor meinem Ausstieg noch nie in Amerika. Kurt erging es genau so. Er war bis zu seinem 50. Geburtstag noch nie in Paris. Unser Leben spielte sich hauptsächlich in den Studios und auf den Bühnen ab. Ganz  klar, dass allmählich ein Stau von Reise-Wünschen und mehr Lebensqualität entsteht.

Paola Felix: Das  wollte ich nicht. Will man im Showbusiness erfolgreich sein, reicht nicht nur ein hundertprozentiger Arbeitseinsatz mit hundertprozentiger Identifikation. Da  sind je zweihundert Prozent angesagt. Das Engagement auf fünfzig Prozent  herunterzufahren wäre für mich unprofessionell gewesen. Also habe ich mich für  einen harten Schnitt entschieden. Ich bin in dieser Beziehung kompromisslos.

Paola Felix: Ich  wollte und will noch heute beim Publikum mit meinen Liedern als Schlagersängerin  in Erinnerung bleiben. Der Titel „Blue Bayou“ soll ein Symbol dafür sein. Brecht-Texte, die man mir vorgeschlagen hatte, hätte man mir nicht abgenommen. Nicht mal ich selbst. Ich habe romantische Schlager gesungen, viele eigene Texte beigesteuert, die von der ersten Liebe handelten, vom ersten Rendezvous et  cetera. Für ein Repertoire dieses Genres muss man jung sein. Zu Opern, Operetten  oder Kunstgesang fühlte ich mich nie hingezogen.

Paola Felix: Ich  bin erfüllt von positiven Erinnerungen. Einen Job, den man ein  Vierteljahrhundert sprichwörtlich mit Leib und Seele – mit diesem „Werkzeug“  arbeitet ja eine Schlagersängerin – ausgeführt hat, kann man nicht unvergessen  machen. Wehmut würde mich aber schmerzen. Ich bin in dieser Beziehung weder  verklärt noch sentimental.

Paola Felix: Der  Beruf hat mich Selbständigkeit gelehrt. Wer wie ich auf vielen Bühnen und in  zahllosen Studios unterwegs war, muss sich die Fähigkeit aneignen, sich selbst  organisieren zu können. „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ war mein Motto.  Heute hilft mir im Privatleben diese Erfahrung. Vom Erfolg aber habe ich mich  nie blenden lassen. Denn er ist aus Porzellan. Ich habe ihn immer wie eine kostbare Vase behandelt, aber nie als meinen Lebensinhalt.

Paola Felix: Um Himmels Willen nein. Man kann nicht mit Verbissenheit, auf Teufel komm raus, ins Showgeschäft einsteigen wollen. Viel eher war es so, dass ich einerseits viel  Glück hatte, dass das Markenzeichen Paola zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Liedern eingeschlagen hat. Andererseits habe ich zielstrebig meine berufliche Karriere eingeschlagen und auf viel privaten Freiraum verzichtet. Ich habe keine Sprosse der Erfolgsleiter ausgelassen. Das heisst:  Ich war nicht von Knall auf Fall da, sondern habe kontinuierlich an mir und meinem Beruf gearbeitet.

Paola Felix: Ganz klar die Musik. Sie war meine erste Profession. Ich fühle mich als musischer Mensch. Meine Mutter hat mich in der Kindheit geprägt, indem wir zusammen italienische Opernarien sangen. Zur TV-Moderation kam ich erst 15 Jahre später,  als mich das ZDF und das SDR-Fernsehen als Co-Moderatorin für Kurt  engagierte.

Paola Felix: Ja,  sicher! Ich wurde sozusagen ins kalte Wasser geworfen und moderierte mit meinem Mann zusammen anno 1982 gleich eine grosse Samstagabendshow. Da habe ich noch  mehr Berufsdisziplin gelernt, hartes Durchbeissen, Kritikverträglichkeit, Umgang mit den Medien und Erfahrung im Rampenlicht. Auch durch den Popularitätsschub, den die Moderationstätigkeit mir brachte, habe ich natürlich als Sängerin  profitiert.

Paola Felix: Wären  noch Wünsche offen geblieben, hatte ich noch nicht aufgehört sondern versucht,  mir diese noch zu erfüllen. Nein, ich habe in meinem Job eigentlich alles  erlebt, was man erleben kann. Vom Positiven bis zum Negativen. Was mir bis dahin  gefehlt hatte, war ein ausgefülltes Privatleben. Das war der einzige Wunsch, den ich am Ende meiner Karriere hatte.

Paola Felix: Beschaulicher ist es schon geworden. Das war ja einer der Gründe, weshalb  ich mit meinem Job, der viel Stress mit sich bringt, aufhörte. Mir war es aber  innerhalb der vergangenen zehn Jahre noch keine Sekunde langweilig. Kurt und ich  hatten vieles nachzuholen. Bootführerschein, Computerkurs. Zudem bauten wir in Italien ein neues Haus, das wir als zweiten Wohnsitz benutzen. Der Nachholbedarf  an Freizeit und Auskosten der neu gewonnenen Freiheit ist noch  immens!

Paola Felix: Wir  haben unser Soll noch lange nicht erreicht und sind immer noch am Abtragen  unserer Reisewünsche. Getätigt haben wir bis jetzt eine mehrmonatige Tour mit dem Motorhome durch die USA, ausgiebige Bergtouren in den Schweizer Alpen, wochenlange Kanalfahrten mit dem Hausboot in Irland und Frankreich,  Erkundungstouren quer durch unsere zweite Heimat Italien et cetera. Am meisten Spass haben wir an unseren Fahrrädern, mit denen wir schon Tausende von  Kilometern im In- und Ausland abgestrampelt haben.

Paola Felix: Natürlich. Und das ist auch verständlich. Irgendwie sind die Medien, sei es  das Fernsehen oder die Tonträgerindustrie, mit meinem Mann und mir „gut gefahren“ und haben Quoten und Umsätze erzielt. Es war für uns beide lange Zeit  schwieriger, verlockende Angebote auszuschlagen als uns aus dem Showbusiness zu verabschieden. Wir mussten im Nachhinein lernen, „Nein“ sagen zu können. Wir tun’s aber immer noch mit Ueberzeugung.

Paola Felix: Klar ja! Und was das Materielle anbelangt: Wir haben uns vorgenommen, den Lebensstandard einzufrieren – und können das auf einem relativ hohen Standard tun. Wir haben entsprechend vorgesorgt. Wir brauchen aber keine Jacht im Hafen von St. Tropez. Unser Glück ist, dass wir das Glück zu erkennen vermögen und mit dem hoch zufrieden sind, was wir aus eigener Kraft erarbeitet  haben.

Paola Felix: Zu den Höhepunkten zähle ich 1979 den Rekord, den ich in der ZDF-Hitparade aufstellte.  Mit „Blue Bayou“ war ich sieben Mal hintereinander platziert. Die ZDF-Redaktion war gezwungen, ein neues Reglement aufzustellen, dass es in der Hitparade nur  noch drei Auftritte hintereinander geben dürfe…! Aufrichtig gefreut hat mich 1987 auch die EMNID-Meinungsumfrage, als Kurt und ich zum beliebtesten Moderatorenpaar Deutschlands gewählt wurde. Vom rabenschwarzen Pech wurde ich  nie verfolgt. Irgendwie bin ich ein Sonntagskind.

Paola Felix: Es ist kurzlebig geworden. Es wird nur noch wenigen Künstlern gelingen, über Jahrzehnte kontinuierlich eine Karriere aufzubauen. Schnellschüsse sind gefragt. Das ist und war nie mein Ding. Ich mag es jedem gönnen, der durch Leistung hochkatapultiert wird. Ein Top-Künstler mit einem Top-Marktwert verdient top.  Mehr als je zuvor. Aber ich leide mit jedem, der Knall auf Fall in Vergessenheit  gerät. Die Branche ist brutaler geworden.

Paola Felix: Musik  mit grossen, gekonnten Arrangements und Stimmen. Unvergesslich ist für mich Frank Sinatra. Bewundernswert heute Celine Dion oder grosse Filmmusiken von  Enrico Morricone oder Musicalmelodien von Andrews Lloyd Webber! Superprofessionelle Leistungen im Bereich der sogenannt gehobenen  U-Musik.

Paola Felix: Techno? Da kann und will ich nicht mitreden. Ich habe es mir abgewöhnt, als  Konsument jede Modeströmung mitzumachen. Techno unter Palmen zerstört das  Ambiente. Da höre ich doch lieber Eros Ramazotti am Lago Ceresio oder Stephan Raab am Bodensee. Und die sind auch von heute.

Paola Felix: Ich  möchte nicht in das Wehklagen miteinstimmen. Im Gegenteil. Fernsehen wird heute weitaus professioneller produziert, als noch vor wenigen Jahren. Dies betrifft die ganze Bandbreite. Von den Bühnenbildern bis zum Bildschnitt. Was die Inhalte anbelangt hat sich nichts geändert. Die haben sich nur dem Zeitgeist angepasst.  Das Fernsehen ist schon längst erfunden. Wie der Fussball. Faszinierend für alle. Und die Spielregeln sind bekannt.

Paola Felix: Im Bereich des Showbusiness bedeutet Erfolg: etwas Sein, etwas Schein und sehr viel Schwein. Ich habe auf den Erfolg nie gewartet, ich habe mich immer bemüht, etwas  dafür zu tun. Und mich nie damit zufrieden gegeben, dass ich im Beruf zufrieden bin. Das hat mir mal der Musiker und Orchesterleiter Ray Conniff geraten.

Paola Felix: In einem habe ich schon Glück zum Vornherein. Felix heisst Glück. Also ist mir das  Glück sozusagen schon auf den Leib geschrieben. Mein Vater überlieferte mir ein  italienisches Sprichwort, das da heisst: „Glücklich ist nicht, wer anderen so vorkommt, sondern wer sich selbst dafür hält!“ Ich habe von Liebe und Glück oft  in meinen Liedern gesungen. Weil ich es selbst erfahren habe. Ich konnte und  wollte nichts vorspielen. Natürlich fällt das Glück einem nicht in den Schoss.  Aber wir müssen Geist und Sinn offen halten, das Glück zu erkennen. Und es gäbe  viel weniger unglückliche Menschen.

Paola Felix: Niemand kann seine Vergangenheit abstreifen. Aber ich habe meine berufliche  als Lebenskapitel abgeschlossen und bin ganz auf die Gegenwart ausgerichtet. Ich geniesse das Leben hier und jetzt. Lese täglich zwei Stunden lang Zeitungen, konsumiere Infosendungen noch und nöcher, interessiere mich für die täglichen Aktualitäten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Die Gegenwart  meiner Umwelt konnte ich während meinen Berufsjahren nicht in diesem Masse  miterleben. Um all dies aufzunehmen und verarbeiten zu können, braucht man Zeit. Die habe ich jetzt.

Paola Felix: Die  Floskel, dass eine Frau im Beruf besser als ein Mann sein müsse, trifft nur bedingt zu. Das ist oft nur eine schwache Ausrede. Im Gegenteil: Ich habe in meinem Beruf immer davon profitiert, dass ich eine Frau war. Emanzen halte ich für unfeminin und uncharmant, Frauenquote für eine Krücke.

Paola Felix: Natürlich würde ich für mich am liebsten das ewige Jungsein pachten lassen.  Aber mit Fünfzig will ich nicht dem Jugendwahn verfallen, weil er Selbstbetrug ist. Ja, ich merke, dass ich älter werde. Noch vor ein paar Jahren sprachen mich nämlich die Italiener mit „Signorina“ an! Heute sagen sie zu mir: „Signora“! Vorbei ist also die Zeit des Schlagermädchens. Heute tröste ich mich mit einem Gedanken, den einst Franciose Sagan ausgesprochen hat: „Es gibt ein Alter, in  dem eine Frau schön sein muss. Und dann kommt das Alter, in dem sie geliebt werden muss, um schön zu sein.“ Ich stehe jetzt genau auf dieser Zeit-Schwelle.

Paola Felix: Natürlich missfällt mir auch noch jedes so kleine Fältchen. Alles andere wäre gelogen. Während Falten einen Mann männlicher machen, habe ich das Gefühl,  dass Falten Frauen nur älter machen. Liften lasse ich mich deswegen aber nicht. Lieber gesund mit Falten, als krank in Schönheit. Ich habe mir dieses Lebensmotto einverleibt und treibe heute mehr denn je Freizeit-Sport. Tägliches  Anschwimmen Richtung die Gegenstromanlage, tägliches Rückentraining,  wöchentliche ausgedehnte Radtouren oder Bergwanderungen. Der Motor dazu ist mein Mann. Ich will meinen gesunden Körper spüren. Wenn es sein muss halt auch jedes  Fältchen…

Paola Felix: Genau  in dieser Reihenfolge! Ich werde auf mich fast neidisch. Mit Dahinvegetieren  erreicht man aber in der Regel eine Lebensqualität dieser Art nicht. Ich habe  sie mir und möchte sie mir noch heute ehrlich erarbeiten. Nur so bekommt sie für  mich einen Wert, nur so lerne ich sie schätzen und so kann ich dafür dankbar sein.

Paola Felix: Schon  auch. Ja. Wenn diese Art Leben Freizeit und Freiheit bedeuten, ist das eine Qualität, auf die ich zwischen meinem 15. und 40. Lebensjahr bewusst verzichtet habe. Aber noch verspüre ich derzeit keine Lust zum Schweigen. Unser Eheleben  ist genügend ausgefüllt. Unsere gemeinsamen Pläne und Ziele noch lange nicht realisiert.

Paola Felix: Unser  Nachbar Anton Scheffold, ein China-Handelsreisender, hat von dort eine alte Weisheit mitgebracht: „Trinke drei Jahre lang Wein, und du hast kein Geld.  Trinke drei Jahre lang keinen Wein, und du hast auch kein Geld.“ Und da ich jeden Abend ein Glas Rotwein trinke, habe ich zudem erfahren, dass halt alter  Barolo-Wein das mehrfache eines jungen Veltliners kostet. Aber die innere Zufriedenheit und Glückseligkeit, mit der man den einen oder den anderen Wein  trinken kann, ist mit Geld nicht zu bezahlen. Udo hat recht.

Paola Felix: Wovon  denn sonst? Wir währen dumm und einfältig gewesen, wenn wir uns vor dem Ausstieg  wirtschaftlich nicht abgesichert hätten. Wir haben mit unserem Geld nie spekuliert, wir haben es nie unsinnig zum Fenster hinausgeworfen, wir sind nie Risiken eingegangen. Wir haben ganz einfach dem Anlageberater einer renommierten Schweizer Bank vertraut. Natürlich braucht es Mut, eines Tages auf die Bank zu gehen im Wissen darum, dass man von nun an Geld abhebt und nicht hinbringt. Wir  haben uns inzwischen daran gewöhnt. Und zudem ist mein Mann weiterhin  „honorarberechtigt“ hinter den Kulissen tätig. Es geht uns  gut.

Paola Felix: Kurt ist ein Liebhaber von Instrumentalmusik. Er besitzt eine Sammlung von vielen tausend Titeln aus der Swing-Aera, von den traditionellen Deutschen Tanzorchestern von Kurt Edelhagen bis Max Greger. Gesang stört ihn da  höchstens.

Paola Felix: „Schön war die Zeit“, denke ich. Ich höre mir diese Titel immer noch interessiert an, weil es sich nicht um Billig-Produktionen vom Computer handelt. Da haben noch  richtige Orchester gespielt. Da haben noch echte Chorstimmen gesungen. Da wurden  noch mit viel Sachverstand Töne produziert. Nicht einfach so Hopp-Hopp. Tempi passati.

Paola Felix: Eigentlich kaum. Wir wohnen hauptsächlich in Italien. Und da ist es örtlich  fast nicht möglich, persönliche Kontakte aus der ehemaligen Berufsaera zu pflegen. Was mich aber sehr interessiert ist, welche erfolgreichen oder auch aussichtslosen Wege frühere Kolleginnen und Kollegen einschlagen. Ich freue mich oder leide mit ihnen. Natürlich ist dann ein Wiedersehen vor der Fernsehkamera  um so herzlicher und spannender, wenn wir uns in irgendwelchen  Jubiläumssendungen, Talkshows oder was auch immer treffen.

Paola Felix: Und  wie! Nicht nur mir ergeht es so, sondern Millionen von Zuschauern, für die  „Verstehen Sie Spass?“ ein Jahrzehnt lang das Samstagabendvergnügen pur war. Ein  bisschen Nostalgie spielt natürlich auch noch mit. Kurt hat in den 80er Jahren  Spässe produziert, die heute als Klassiker in die deutsche Fernsehgeschichte  eingegangen sind. Es sassen damals bis zu 23 Millionen Zuschauer vor dem  Bildschirm, die eineinhalb Stunden herzlich ablachten. Auch wenn die Filme heute  etwas Patina angesetzt haben: Der Humorgehalt ist immer noch vom Feinsten, weil  die Spässe nicht so brutal und auf Schadenfreude getrimmt waren, wie dies in  anderen Sendeformaten heute oft gemacht wird.

Paola Felix: Wenn ich diese hätte, wäre mein Abgang vor zehn Jahren ein gravierender Fehler  gewesen! Von den Paola-Fans werde ich bestimmt nicht vergessen. So wenig wie ich die italienischen Schlagerstars aus meiner Jugendzeit nie vergessen werde, von Gigliola Cinquetti bis Rocco Granata. Ich muss mich aber damit abfinden, dass  mich die junge Generation überhaupt nicht mehr kennt. Aber sicher deren Eltern.  Damit kann ich leben.

Paola Felix: Ich  kann diese Frage nicht schlüssig beantworten. Ich wollte eigentlich schon in den  frühesten Jugendjahren Schlagersängerin werden und habe diesen Berufstraum als  Traumberuf ausüben können. Ganz heimlich habe ich aber auch als Eiskunstläuferin trainiert. Deshalb fasziniert mich die Karriere von Katy Witt oder Denise  Biellmann noch heute. In meinem nächsten Leben werde ich vielleicht singenderweise Pirouetten im Eisstadion drehen. Und meine Mutter wäre eine Eismutter. Aber eine liebe.

Paola Felix: Es mag vielleicht fast komisch klingen: An erster Stelle, auch zeitlich, stehen meine Familie und meine Mutter, die sich für mich völlig aufgeopfert und überall  hinbegleitet und betreut hat. Sie war Mitglied des St. Galler Theaterchores und hat in mir die Freude zum Singen erweckt. Ihr folgten hervorragende Musikproduzenten vom Duo Roland Heck / Gerd Köthe über Fred Weyrich bis zu Ralph  Siegel. Werner Kimmig hat mich fleissig gemanagt und gute Verträge ausgehandelt.  Im weiteren Umfeld wurde ich von Dieter Thomas Heck gestützt und vom damaligen Unterhaltungschef des SDR Edwin Friesch, der mich als Co-Moderatorin von „Verstehen Sie Spass?“ berief. Und natürlich, das brauche ich gar nicht besonders hervorzuheben: Kurt Felix. Die Liste der Leute, denen ich zu danken habe, ist ellenlang.

Paola Felix: Das  kann man wohl sagen. Dank ihm weiss ich, wie das Fernsehen überhaupt  funktioniert. Es hat viel mit Zuverlässigkeit, Präzision, Phantasie, Kompetenz,  Pünktlichkeit, Teamgeist, Berechenbarkeit und Arbeitseinsatz zu tun. Eine ehemalige Sekretärin meines Mannes hat mir einmal gesagt, dass sie in ihrer  Laufbahn keinen besseren Chef gehabt hätte. Das glaube ich ihr. Nicht umsonst hat er in Deutschland und in der Schweiz zusammengerechnet Jahrzehnte lang das publikumswirksamste Fernsehen gemacht. Er hat für den Erfolg immer fair und mit  offenem Visier gekämpft.

Paola Felix: Es ist schlichtweg unmöglich, zwanzig Jahre lang gegen aussen hin ein gutes Eheleben  vorzulügen. Wir verstehen uns ausgezeichnet. Man könnte auch sagen: Die Chemie stimmt. Wenn man mich fragen würde, was ich in einem zweiten Leben nochmals  werde wollte, würde ich sagen: „Die Frau von Kurt Felix.“ Ich bin der festen Ueberzeugung, dass sich zwar Gegensätze anziehen. Dies aber meistens nur  kurzfristig. Bei uns stimmt das Sprichwort: „Gleich und gleich gesellt sich gern“. Und das am 13. September 2000 genau 20 Jahre lang. Da haben wir auf dem  Bürgenstock hoch über dem Vierwaldstättersee geheiratet.

Paola Felix: Wir  sind beide sehr vom mediterranen Leben und seiner Kultur angetan. Wir lieben die  südliche Wärme, die Sonne, das Wasser, das Essen, die Weine, die Allegria der Italiener. Hier möchten wir alt werden und jede Lebensphase bewusst in vollen  Zügen geniessen. Das Leben und der Speisezettel ist nun mal anders als in der  nördlichen Hemisphäre. Und mein Mann sagt, dass die Italiener auch noch gut  Fussball spielen können.

Paola Felix: Sie  werden es nicht glauben: Er hat einen italienischen Pass beantragt und ist heute  wie ich Doppelbürger. In Italien Fuss zu fassen, deren Sprache zu lernen, sich  mit dem Land und seiner Geschichte zu befassen, ist für ihn auch eine emotionale  Angelegenheit. Schliesslich hat er nicht nur mich – mein Vater ist Italiener – sondern auch meine ganze Familie und damit ganz Italien mitgeheiratet. Ich habe  ihn sozusagen nach Italien entführt.

Paola Felix: Wir  möchten nochmals längere Zeit auf Reisen gehen. Erstens lassen wir unser  Motorboot jedes Jahr in einen anderen Schweizer-See setzen und leben eine  Zeitlang in der entsprechenden Region, steigen vom Ufer auf die Hügel und Berge und erkunden die umliegenden Ortschaften. Dann möchten wir mit dem Fahrrad  Korsika umrunden, mit dem Hausboot den Canal du midi befahren und, und, und. Und dann möchten wir auch viel Zeit für unsere Eltern investieren. Denn das freudige Strahlen der Augen unserer Eltern ist uns heute soviel Wert, wie früher der  Applaus des Publikums.

Paola Felix: Auf  meinen runden Geburtstag hin habe ich viele Anfragen erhalten. Ich hätte in all diesen Showsendungen vor grossem Publikum die grosse Showtreppe hinuntergehen und dabei vor einem grossen blauen Rundhorizont auf weissem Bodennebel Blue  Bayou singen müssen. Respektive dürfen. Aber ich habe mir geschworen, auf  Auftritte dieser Art zu verzichten. Das habe ich schliesslich fünfundzwanzig  Jahre lang gemacht und ich habe mich vom Showbusiness mit Ueberzeugung  verabschiedet.

Paola Felix: Ich  bin zwar konsequent, aber nicht stur. Ich kann mich nämlich mit diesem  speziellen Sendeformat anfreunden. Es handelt sich dabei um eine Aussen-Videoproduktion, die hauptsächlich in Italien realisiert werden soll. Das Drehbuch dazu schreibt mein Mann. Und er weiss haargenau, wo ich mitmache und wo  nicht. Zudem ist es eine Ehre der besonderen Art, wenn eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt ein Paola-Special ausstrahlt. Und es wäre fast unanständig, diesen roten Teppich, den man mir ausrollt, nicht begehen zu wollen.

Paola Felix: Eigentlich weiss ich nur so viel: Ein Videoteam wird mit mir eine mehrtägige Reise zum „Blue Bayou“ unternehmen. Für mich ist es eine Fahrt ins Blaue, die  mit allerlei Ueberraschungen gespickt sein soll. Und für Ueberraschungen ist  Kurt Felix immer gut. Er hat mir schon ein paar meiner Titel ins Gepäck gelegt, die ich irgendwo irgendwann irgendwie singen soll.

Paola Felix: Ja.  Kurz bevor ich mit meinem Job aufhörte, produzierte ich im Studio noch zwei Titel. Die Plattenfirma wusste damals nicht, wie ernst es mir mit dem Aufhören war. Es handelt sich um ein wunderschönes Lied „Danke, dass es dich gibt“, mit einem Text von Star-Autor Michael Kunze. Und weil wir wohl auch noch am Meer  drehen werden, singe ich einen unveröffentlichten Titel des Schweizer  Komponisten Peter Reber: „Santa Riva“.

Paola Felix: Wir  sind zur Zeit in Zusammenarbeit mit der Sony-Music daran, eine CD zusammenzustellen, auf der erstens die bisherigen Erfolgstitel in neuer Tonqualität abgemischt werden. Zweitens hat es auch Titel darauf, die entweder noch nie auf eine CD gepresst- oder die bisher noch nie veröffentlicht wurden.  Zum Beispiel „La Pastorella“.

Paola Felix: Das  verrate ich nicht. Nur so viel: Ich verreise mit Kurt an einen Ort, an dem wir  Zwei ungestört mit einem guten Wein anstossen können. Auf genau 1000 Metern über Meer. Das Handy bleibt ausgeschaltet. Auch die Medien bleiben draussen. Aber im  Herzen verspüre ich eine tiefe Dankbarkeit gegenüber all den Menschen, die mich  auf meinem Lebensweg begleitet haben. Ich habe sie alle vor zehn Jahren an  meinem 40. Geburtstag zu einer grossen Geburtstagsparty eingeladen und mich damals aus meinem Beruf offiziell verabschiedet. Heute kann ich Niemandem mehr „Adieu“ sagen. Ich sage: „Grüezi“. Grüezi zu meiner zweiten Lebenshälfte. Denn ich hoffe, dass ich hundert Jahre alt werde.

Paola Felix: Ich  habe mir eigentlich vorgenommen, mir nichts mehr vorzunehmen. Meine Wünsche, die  von mir oder anderen Menschen zu erfüllen sind, sind fast alle erfüllt. So darf ich zu Recht behaupten, dass ich an meinem Fünfzigsten eigentlich wunschlos  glücklich bin. Da ich viel von meiner Vergangenheit erzählt habe, kann man daraus vielleicht auch meine Zukunft erkennen. Meine Kollegin Milva, die vor  zehn Jahren in unserer letzten Sendung „Verstehen Sie Spass?“ zu Gast war, sagte  es wohl richtig: „Jeder muss sich für seine Zukunft interessieren. Denn man  verbringt schliesslich mit ihr den Rest des Lebens…!“

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